Dienstag, 30. Dezember 2008

Die selbstherrliche Kaste der schweizer Sexualmedizyniker

Udo Rauchfleisch hat für sein Buch "Transsexualität-Transidentität" gerade unter Betroffenen viel Beifall geerntet, vor allem da er schon auf dem Klappentext klar gestellt wird:

"Udo Rauchfleisch kommt aufgrund seiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit Menschen, die sich dem Gegengeschlecht zugehörig fühlen zu dem Schluss, dass Transsexualität keine psychische Krankheit ist, sondern das ganze Spektrum von psychischer Gesundheit bis Krankheit umfasst."

Er beschreibt in dem Buch auch die aktuelle Vorgehensweise der Behandlung in der Schweiz - und treibt mich mit folgendem Satz zur Weissglut:

"Entsprechend dem Vorgehen der meisten Fachleute und Zentren zur Behandlung von Transidenten und in Übereinstummung mit den Standarts of Care der Harry Benjamin International Gender Dysphoria Association (Absatz 5.2.4.) soll die oder der Transidente vor allfälligen(*) hormonellen und chirurgischen Interventionen bereits während ein bis zwei Jahren täglich 24 Stunden in der angestrebten Geschlechtsrolle leben und auf diese Weise den sogenannten "Alltagstest" durchführen."

(Und da sagt man, Frauen würden lange Sätze bilden. (*) Allfällig ist ein sogenannter Helvetismus und steht in etwa für "eventuellen")

Dieser Satz ist schlichtweg gelogen. Seit der Version  der Harry Benjamin Standards of Care for Gender Dysphoric Persons von 1998 ist als Kriterium für die Hormonindikation folgendes fest gelegt:

  • Aged 18 years.
  • Demonstrable knowledge of what hormones medically can and cannot do and their social benefits and risks.
  • Either a documented real life experience should be undertaken for at least three months prior to the administration of hormones,
    or
    A period of psychotherapy of a duration specified by the Mental Health professional after the initial evaluation (usually a minimum of three months) should be undertaken.

 

  • Mindestens 18 Jahre alt.
  • Nachweisbares Wissen was die Hormone Medizinisch bewirken können und was nicht und was ihre sozialen Vorteile und Risiken sind
  • Entweder eine dokumentierte Alltagserfahrung von mindestens drei Monaten vor der Vergabe von Hormonen
    oder eine gewisse Zeitdauer der Psychotherapie, die der Psychotherapeut nach einer ersten Evaluation festlegt (für gewöhnlich ein Minimum von drei Monaten) sollte absolviert worden sein.

Die Version von 2001 wurde aufgrund weiterer Erfahrungen noch einmal etwas überarbeitet und spricht nun auch für die Indikation von Hormonen, wenn der Patient bereits Hormone nimmt.

Rauchfleisch hat zu einem grossen Teil am Aufbau der schweizer Zentren für Behandlung und den Diagnoseanforderungen mitgearbeitet. Er sollte wissen, dass sich die Gatekeeper(*) - ein gewisser Herr Dr. Krämer in Zürich bzw. ein ganzes Gatekeeper Team (aus allen beteiligten Fachrichtungen) in Basel streng nach den sogenannten deutschen Standarts of Care halten. Und die sehen die Sache ganz anderst.

Vor der Indikation zur hormonellen Behandlung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Therapeut kennt den Patienten in der Regel mindestens seit einem Jahr.
  • Der Therapeut hat die diagnostischen Kriterien überpüft.
  • Der Therapeut ist zu dem klinisch begründeten Urteil gekommen, daß bei dem Patienten die drei genannten Kriterien der Psychotherapie (die innere Stimmigkeit und Konstanz des Identitätsgeschlechts und seiner individuellen Ausgestaltung, die Lebbarkeit der gewünschten Geschlechtsrolle und die realistische Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen somatischer Behandlungen) geben sind.
  • Der Patient hat das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle mindestens ein Jahr lang kontinuierlich erprobt (sog. Alltagstest).

Für mich gibt es hier zwei ganz grosse Misskonzepte:

Erstens darf die Lebbarkeit der gewünschten Geschlechtsrolle kein Kriterium sein, zumal sie vor Hormonbehandlung überhaupt nicht zu Beurteilen ist, sie grenzt also z.B. Frauen aus die das Pech haben einen zu maskulinen Knochenbau zu haben um jemals glaubwürdig als Frau zu wirken oder je nach Persönlichkeit des Gatekeepers einfach nicht "hübsch" genug sein werden, oder Frauen, die sich zu Jeans und T-Shirts bekennen pauschal ausgeschlossen werden.

Zweitens Ist das Leben in der gewünschten Geschlechterrolle ein Jahr vor Hormonindikation ein gewaltiges Gefahrenpotential. Für den Patienten und für die Behandlung.

Für den Patienten da er mit Beginn des Alltagstests die Gefahr sozialer Zurückweisung von Famillie, Freunden und insbesondere des Arbeitgebers (Und des Arbeitsamts in Deutschland - Transsexuelle werden generell als "unvermittelbar" eingestuft) und wenn die Person dann merkt, dass alles falsch war kommt der selbe soziale Bruch beim zurückkehren noch einmal hinzu. Das Leben ohne Hormone in der entgegengesetzten Rolle bedeutet meist schlechtes Passing, so dass das ganze zu einer Travestie verkommt in der in Wirklichkeit nur eines getestet wird - hat der Patient nach all diesen sozialen Verlusten und der Gefahr, als geschlechtlich unpassend tätlichen und verbalen Angriffen ausgesetzt zu sein, den Durchhaltewillen?

Dadurch entsteht das Gefahrenpotential für die Behandlung: Was hier bewiesen wird, ist das jemand Dickschädlig genug ist, das durchzuhalten und nicht ob jemand Transsexuell ist. Und mit dem Dickschädel kommt die Person anschliessend relativ Problemlos durch die Behandlung - selbst wenn sie sich nur durchmogelt (was übrigens Viele (auch wirklich Transsexuelle) auch in Bezug auf den Alltagstest machen, sie Besuchen den Gatekeeper und den Therapeuten geschminkt und feminin gekleidet und erfinden passende Geschichten für die Zeit zwischen den Besuchen).

Nun wurden ja kürzlich die Behandlungsempfehlungen für transsexuelle Kinder ausgegeben, und dort wird empfohlen mit der pupertätsverzögernden Behandlung zu warten, bis sich erste anzeichen der Pupertät bereits entwickelt haben. Dies hat einen einfachen Grund:  Mit Geschlechtshormonen stellt sich entweder Zufriedenheit mit dem eigenen Körper ein oder die Dissonanz zwischen neurologischem Geschlecht und Phänotyp beginnt.

Aus dem selben Grund war auch in der ersten Version der Harry Benjamin SOCs nicht nur ohne Bedinung sondern die Reaktion darauf gerade ein diagnostisches Kriterium:

(aus NHS v Private Treatment for Transsexuals von Dr. Russell Reid)

Principle 11 in the 1979 First Edition states "hormonal sex reassignment is both therapeutic and diagnostic in that the patient requesting such therapy either reports satisfaction or dissatisfaction regarding the results of such therapy"

Punkt 11 in der 1979 veröffentlichten ersten Edition besagt: "Hormonelle Ersatztherapie ist geleichzeitig Therapeutisch und Diagnostisch, da der Patient, der eine solche Behandlung verlangt, entweder Zufriedenheit oder Ablehnung mit den Ergebnissen einer solchen Therapie äussern kann.

und er erzählt aus seiner Praxiserfahrung:

My clinical experience with the use of hormones has led me to conclude that the early use of feminising hormones is useful and appropriate because they have the effect of

  • Reducing the intensity of the gender dysphoria
  • Inducing pleasing feminising body shape changes, and
  • They act as a diagnostic test for Transsexualism by virtue of their feminising and anti-libidinal effects.

 

Meine klinische Erfahrung mit der Verwendung von Hormonen hat mich zu dem Ergebins gebracht, dass frühe Verwendung von Hormonen hilfreich und angemessen ist, das sie folgende Effekte haben:

  • Redzuierung der Intensität der Geschlechtsunstimmigkeit
  • Beginn der angenehmen feminisierung der Körperformen und
  • sie arbeiten als diagnostischer Test für Transsexialität in der Wirksamkeit Ihrer Feminisierung und Anit-Lust Effekte

Man muss allerdings dazu sagen, dass das nur bei Transfrauen geht. Die Effekte von Testosteron bei Transmännern sind zu schnell irreversibel. Aber die Behandlungsempfehlungen (SOCs) Unterscheiden in dem Punkt nicht, egal welche.

Während sich in Deutschland immer weniger Behandelnde die deutschen Standarts of Care anwenden und man Dank freier Arztwahl auch Gegenbefehls einen vernünftigeren Arzt aufsuchen kann, sind die deutschen Standarts of Care in der Schweiz die Bibel der entscheidenden Gatekeeper(-Einrichtungen) stellen, von denen es wie gesagt letztlich nur zwei gibt.

Die Geschichte der Begegnung mit einem dieser Metzger erzähle ich ein andermal. Denn ich wollte darauf hinweisen dass es in der Schweiz noch ein ganz anderes grosses Manko für Transsexuelle gibt, und zwar folgendes Gerichtsurteil:

Urteil vom 10. Dezember 1999, Entscheid KV: 106
Die Krankenkasse muss die Kosten nur übernehmen, wenn auch die folgenden Festlegungen
erfüllt sind: Die Operation darf erst nach dem 25. Lebensjahr in Betracht gezogen werden und
dies nur nach Einhalten einer Beobachtungszeit von mindestens 2 Jahren.

Das führt dazu, dass sich die Gatekeeper unheimlich schwer tun bei Transsexuellen unter 25 Jahren einen Empfehlung für die geschlechtsangleichende Operation auszupsrechen und viele nur hoffen und bangen können, das Ihre Krankenkasse das trotzdem übernimmt.

Die ganze Behandlung in der Schweiz ist darauf ausgelegt, eine Behandlung so lange wie möglich Hinauszuzögern, in der Hoffnung der Patient würde sich doch noch Umentscheiden. Wenn ich dann auch noch höre, dass dies zu unserem Schutz geschieht finde ich das den Gipfel der grausamen Ignoranz. Das ganze ist nicht dazu da Transsexuelle zu schützen, sondern CIS Menschen, die sich selbst aus irgendeinem fehlgeleiteten Grund zu Transsexuellen (denn das währen sie nach der Operation) machen lassen wollen.

Es wird Albert Einstein nachgesagt, er habe folgende Sätze geäussert:

"I want to die in Switzerland. Everything happens ten years later there"

"Ich will in der Schweiz sterben. Alles passiert da 10 Jahre später"

1 Kommentar:

Vanita hat gesagt…

Das ist doch in Deutschland keinen Deut besser.